Machtungleichgewicht und seine Auswirkungen auf die Mediation

Machtungleichgewicht und seine Auswirkungen auf den Verlauf der Mediation

Einleitung

Gleichgewicht und Freiwilligkeit

Zweifellos ist Mediation eine der nachhaltigen Varianten eine konsensorientierte Vereinbarung zu finden, wenn… ja, wenn alle Beteiligten ähnlich starkes Interesse an einer Lösung haben, sich freiwillig auf den Mediationsprozess eingelassen haben und (zumindest annähernd) ein Gleichgewicht bezüglich der Machtposition der Medianden herrscht. Dieses Machtgleichgewicht kann sich auf eine Vielzahl von Faktoren beziehen, welche sowohl vor, während als auch möglicherweise nach der Mediation greifen können.
Um eine Vorstellung der Vielfältigkeit der Thematik „Macht“ zu geben, seien im Rahmen dieses Essays einige Aspekte aus der Praxis der Mediation exemplarisch erwähnt.

Macht in Beziehungen

Welche Arten von Macht gibt es im zwischenmenschlichen Bereich?
Einmal davon abgesehen, dass eine jede Form von Beziehung einen gewissen zwischenmenschlichen Faktor einschließt, bietet der Bereich der amourösen Beziehung zwischen zwei Menschen wohl den anschaulichsten Hintergrund für diverse Machtungleichgewichte.

 

Emotional

Hat sich A unsterblich in B verliebt, wobei sich B zwar sehr geschmeichelt fühlt, dieses Gefühl aber nicht im gleichen Ausmaß erwidert. Dennoch lässt sich B auf die Beziehung ein, was zu einer Schieflage der Bedürfnisse führt, nachdem sich A in vielen Aspekten nicht angenommen fühlt und permanent auf ein stärkeres persönliches Commitment seitens B hofft. Eine solche Beziehung führt mittelfristig in den Konflikt, da sich Erwartungen und Bedürfnisse von A nicht mit den Möglichkeiten von B erfüllen lassen. Kommt es in weiterer Folge zu einer Trennung, so ist B mit großer Wahrscheinlichkeit schon weiter im Trennungsprozess und benötigt auch weniger Trauerarbeit bzw. Verabschiedungsrituale als A. Somit aber hat B in der Mediation auch einen leichteren Stand, weil er/sie sich primär auf die Sachthemen konzentrieren kann, während sich A diesen Themen erst nach Aufarbeitung der gefühlsbetonten Beziehungsaspekte widmen kann. Andersfalls lassen Aussagen wie „ich unterschreib Dir eh alles, wenn das nur schnell vorbei ist“ oder „mir ist doch eh alles wurscht“ tief ins Gefühlsleben blicken.

 

Wirtschaftlich

Das (liebe?) Geld spielt in vielen Beziehungen eine große Rolle. Sofern nicht beide Partner gleichermaßen Vermögen in die Beziehung eingebracht haben, beide gleich verdienen und auch die gemeinsamen Lebenshaltungskosten 50:50 aufgeteilt sind, ergibt sich schon mehr oder weniger automatisch ein Ungleichgewicht, wobei dieses per se noch überhaupt kein Problem bedeuten muss. Freilich kann eine Beziehung, in welcher beispielsweise der Mann den Vermögensstamm in die Beziehung einbringt, sich daraufhin im Rahmen einer selbständigen freiberuflichen Tätigkeit um seinen Teil der Wirtschaftsgemeinschaft kümmert, während die Frau einer Fixanstellung nachgeht und die finanzielle Regelmäßigkeit der Einkommen sichert, zweifellos bestens funktionieren. Auch der Begriff der „Hausfrauenehe“ ist nicht primär aus dem Scheidungsrecht bekannt, sondern vielmehr eine legitime und probate Gestaltungsvariante der ehelichen Gemeinschaft. Schließlich ist die Ehe als „Vertrag sui generis[1] jeder persönlichen Ausgestaltung im Rahmen weiter rechtlicher Grenzen zugänglich. Insbesondere im Rahmen der Wirtschaftsgemeinschaft.

Doch kann die arbeitsteilige Ehe, in welcher ein Ehepartner (A) sich primär um den Gelderwerb kümmert, während der sich der andere (B) um den heimatlichen Haushalt sorgt, Besorgungen erledigt und eben dem Verdiener den Rücken freihält dann für B zum Problem werden, wenn sie sich einem Ende zuneigt.

In diesem Fall zeigt sich das Problem des haushaltsführenden Partners B dahingehend, dass er finanziell auch weiterhin auf die Leistungen des zukünftigen Ex-Partners angewiesen zu sein scheint, während dieser den Wert der Haushaltsarbeit manchmal gering schätzt. …………………..

Vollständiger Text in  „Mediation ist Do it Yourself“

Die partnerschaftliche Ehe

Als Wegbereiter für eine dennoch zielführende Mediation hat sich der folgende Ansatz erwiesen: Vorerst muss auf das partnerschaftliche Wesen einer Beziehung bzw. einer Ehe hingewiesen werden, welche auf dem gemeinsamen Konsens der Lebensführung beruht. Nie hätte der berufstätige Partner seine Karriere entsprechend vorantreiben können, wenn der andere ihm nicht den Rücken freigehalten hätte, indem er die Organisation des Haushaltes, sozusagen des heimatlichen Backoffice, übernommen hatte.
Andererseits kann auch der manchmal aufkommende Vorwurf „Du warst ja nie zuhause“ dahingehend kanalisiert werden, dass zwar sehr wohl der Wunsch nach der Gegenwart des Partners durchaus groß war,  jedoch auch die Wertschätzung für die hinter dem Lebensstil stehende Finanzierung vorhanden ist.

 

Gewalt

Körperliche Gewalt

Gewalt, hier auf die körperliche Form, die physische Gewalt reduziert, wird in so mancher Mediation als zentrale Motivation eine Beziehung zu beenden angeführt. So einfach es auch auf den ersten Blick scheint hier die Verantwortlichkeit zwischen Täter und Opfer zu verteilen, so kompliziert kann die Aufarbeitung wie auch die Folge einer solchen Tätlichkeit werden.

Exkurs: Um das Dilemma der Gewaltthematik begreifen zu können, ist es keinesfalls nötig Mediator zu sein, nicht einmal, einen zu kennen. Dennoch, nachdem dieses Buch sich um  Sichtweisen zum Thema Mediation dreht, sei in Folge besonderer Fokus auf die Sichtweise des Mediators gelegt:

Bedenkt man, dass gerade die Tätigkeit in der Familienmediation ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen und Selbstreflexion voraussetzt, so kann angenommen werden, dass sich der/die MediatorIn bereits auch schon im Rahmen der Ausbildung, spätestens aber im Rahmen der Weiterbildung einmal mit dem höchstpersönlichen Zugang zum Thema Gewalt auseinandergesetzt hat.

Somit gibt es bereits einen höchstpersönlichen Aspekt, welcher in der unmittelbaren Beschäftigung mit dem Thema angesprochen wird. In der Regel wird körperliche Gewalt in diesem Kontext (so auch grundsätzlich von Ihrem Autor) als nicht akzeptables und auch nicht probates Mittel der Konfliktbeilegung gesehen, was auch zu einer stillschweigenden moralischen Stellungnahme gegenüber jenem Medianden führt, der die gewalttätige Handlung gesetzt hat.

Sich dieser Thematik bewusst zu sein ist ein zentrales Thema für den Mediator, um dem Auftrag der Allparteilichkeit nachkommen zu können. Ignoriert man die persönliche Wertehaltung vordergründig, so können sich im Unterbewusstsein Gefühle aufstauen, welche den Mediationsprozess behindern. Können diese Werthaltungen aber im Rahmen einer Inter- oder Supervision offen angesprochen werden, so ermöglicht dies dem Mediator, den Medianden und vor allem allfällig von der Trennung mitbetroffenen Kindern eine Mediationsvereinbarung lege artis, welche den Weg in eine konfliktfreie Zukunft zu ebnen imstande ist. Eine Mediationsvereinbarung, welche offenkundige Probleme unter den Tisch zu kehren versucht, verschiebt hingegen die nicht aufgearbeiteten Themen in die Zukunft und lässt sie so zum Samenkorn für unkrautgleich wuchernde Schwierigkeiten werden.

Nachhaltige Vereinbarungen

Eine nachhaltige Lösung, und darum geht es in einer Mediation, schließlich setzt voraus, dass die Vorfälle der Vergangenheit nicht in die Zukunft hineinfunken, sondern im besten Fall vor oder parallel zur Mediation allenfalls therapeutisch aufgearbeitet wurden. Weder der Täter noch das Opfer sollen die Scheidungsvereinbarung unter dem Eindruck der Gewalteinwirkung unterfertigen, sondern viel eher dadurch einen Schlussstrich unter die Beziehung als solche setzen.

Dass die furchteinflößende Wirkung der Erinnerung an einen kürzlich zurück liegenden gewalttätigen Übergriff eine gleichberechtigte Scheidungsmediation ungemein erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht, kann sich der geneigte Leser unschwer vorstellen. Darüber hinaus kann, wie zuvor erwähnt, auch seitens der MediatorInnen ein Problem entstehen, sollten diese aufgrund des gewalttätigen Verhaltens eine Antipathie gegen den Täter entwickeln.

Beispielsfall

Diametral dazu entwickelte sich der folgende Beispielfall[2]:
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Conclusio

Im Endeffekt galt es aus diesem Fall zu lernen: Nicht primär die Taten der Vergangenheit sind in der Mediation relevant, sondern viel eher ihre Auswirkungen auf die Mediation bzw. die darin zu erzielende Vereinbarung.

Verantwortung versus Machtmissbrauch

Jedoch ist freilich auch nicht jede Form von Macht gleichbedeutend mit deren Missbrauch. Was ja schon der Begriff des „Macht-Missbrauches“ impliziert. Nimmt man nicht an, dass hier ein Pleonasmus kreiert wurde.

Macht an sich bedeutet Verantwortung. Beispielsweise die Verantwortung der Eltern im Rahmen der Obsorge oder die Verantwortung des Lenkers über das Leben der Mitfahrer oder eben auch die Verantwortung des Hauptverdieners in der Beziehung dafür, dass die Kreditrate oder die Miete monatlich gezahlt werden kann.

Wird jedoch die Macht an sich zum Selbstzweck, so entfremdet sie sich vom eigentlichen Sinn. Ebenso wie das gefüllte Konto an sich kein Zweck ist, sondern nur die Existenz der Familie absichern sollte, ist auch die nicht gelebte, sondern nur konzentrierte Verantwortung eine Pervertierung der eigentlichen Aufgabe.

Die Macht des vordergründig Schwächeren

Doch kann freilich das Pendel auch in die entgegengesetzte Richtung ausschlagen, sobald sich der vordergründig schwächere Partner dieser Ungerechtigkeit gewahr wird. Kommt es beispielsweise in einer patriarchalisch geprägten Familie, in welcher der Mann als gutsituierter Alleinverdiener über sämtliche Anschaffungen der Familie bestimmen möchte zu einer Diskussion, in welcher die Frau ihre Verantwortung den Kindern gegenüber gemäß für diese einsetzt, so schwingt in einem allfällig folgenden Konflikt sehr wohl auch die empfundene Ungerechtigkeit mit und erschwert die Lösungsfindung.

So führt einerseits die subjektiv empfundene Macht des Alleinverdieners manchmal dazu, dass der sich einer ergebnisoffenen Auseinandersetzung hinsichtlich einer wichtigen Frage mit diktatorisch anmutenden Feststellungen zu entziehen sucht, ebenso wie auch die gleichfalls subjektiv empfundene Ohnmacht des haushaltsführenden Ehegatten ………………………………

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Lösungsansätze

Ungeachtet sämtlicher in diesem Beitrag nicht thematisierter Aspekte von Machtungleichgewicht führt schon alleine der grundsätzlich lösungsorientierte Denkansatz des Mediators zu der Überlegung, welche Konsequenzen nun die obigen Feststellungen für die tägliche Arbeit zum Wohle des Konsens haben.

Einerseits freilich bedingt schon alleine der Grundsatz der Allparteilichkeit die Standpunkte …..

Vollständiger Text in  „Mediation ist Do it Yourself“

Ziel der Mediation

Ziel der Mediation ist es (so das Ziel nicht eine völlige Trennung der Lebensbereiche ist) einen nachhaltigen Konsens zu schaffen, welcher auch in der Zukunft ein verbessertes Miteinander aller Beteiligten ermöglicht. Daher ist es unumgänglich ein Gesprächsklima zu schaffen, in welchem sich alle MediandInnen gleichermaßen ausdrücken und ihre Bedürfnisse, Wünsche und Erwartungen artikulieren können. Sollte ein Machtungleichgewicht im Rahmen der Mediation nicht ausgeglichen werden können, so kann dies mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Sollbruchstelle der Vereinbarung werden. Nur, wer sich auch emotional voll hinter das erzielte Ergebnis der Mediation stellt, fühlt sich auch langfristig daran gebunden und ebnet sich so den Weg in eine konsensorientierte Zukunft.

 

[1] Vertrag der eigenen Art

[2] Der Fall wurde aus Gründen der Diskretion und Verschwiegenheit etwas entfremdet

 

Der vollständige Text ist im Buch „Mediation ist Do it yourself“ erschienen